Vorwort zur Mundart
Das Südhessische ist ein rheinfränkischer Dialekt. Es wird im Raum um Frankfurt, in Wiesbaden, um Darmstadt herum und entlang der Bergstraße (bis Bensheim) gesprochen.
Das spezielle Erweller Platt (auch „Riedhessisch“) wird nur noch in Fragmenten von wenigen „Ureinwohnern“ gesprochen. Viele Begriffe sind schon verloren gegangen. Die Durchmischung der Bevölkerung verhindert die sprachliche Weitergabe der alten, teils kraftvollen Begriffe.
So wie heute englische Worte in unsere Sprache einfließen, so waren es in den vorigen Jahrhunderten jiddische, auch französische. Transportiert durch die Mode, an den Fürstenhäusern französisch zu sprechen. Durch Einwanderung von Hugenotten, Waldensern und durch französische Besatzung in napoleonischer Zeit fanden weitere Begriffe den Weg in unsere Mundart.
Nur noch wenige Alteingesessene können all diese Redensarten übersetzen.
Viele der in dieser Sammlung genannten Wörter werden bereits heute nicht mehr benutzt. Von Ort zu Ort – also schon in 3 bis 4 km Entfernung wechseln die Aussprachen. Der Erweller „geht in Gaade“, der Leeheimer „in de Gadde“ und der Crumstädter „in Goarde“. Ab zehn km gibt es schon gravierende Unterschiede in der Sprache: In Gernsheim z.B. spricht man schon leicht Kurpfälzisch. In Trebur liegt man schon nahe am Mainzer Dialekt.
Ein Beispiel für die Vielfalt des regionalen Dialektes ist der Löwenzahn. In der Region Bingen – Frankfurt – Beerfelden – Neustadt/Weinstraße sind die folgenden dreizehn Begriffe für den Löwenzahn dokumentiert:
Milchbusch, Milchpusch, Babbebusch, Butterpusch, Butterblume, Eierpotsch, Eierpusch, Flockebusch, Kuhbusche, Ochsenpusch, Kuhschisser, Schwärnpusch, Kettenblume, Paffladde.
Bisher erschienene Bücher mit „Platt-Sammlungen“ sind Momentaufnahmen, sie werden mit Interesse gelesen, stehen dann aber oft in Schränken und werden nicht mehr benutzt.
Wir gehen hier einen anderen Weg. Dieses Verzeichnis „lebt“ – jeder kann Ergänzungen und Korrekturen vorschlagen, die laufend eingearbeitet werden. Das wurde bisher auch schon intensiv praktiziert. Den Menschen, die sich bisher engagiert haben, danke ich auf diesem Weg sehr herzlich.
„Dischbediern koann mer über Platt net“. Ah net iwwer die Schreibweise, wie mer`s heert so schreibt mer´s. So wie die nachfolgende Auflistung geschrieben steht, „so schwätze se hoalt, die Erweller“.
*) Gemeint ist die Zeit um 1930er bis 1950er Jahre.
Diese „Plattsammlung“ wurde erstmals in 2011 veröffentlicht und fortwährend aktualisiert.
© Walter Emmer (geb. in Erfelden 1943), – Riedstadt-Erfelden – Datei vom 25.01.2019
Anmerkung:
Im Platt werden die meisten Laute anders gesprochen als im Hochdeutschen. Einige Beispiele zum „eingewöhnen“. Ei = ai, e = ä, p = b, k = g, t = d, v = f etc. Kurze Betonung kann man leider nicht darstellen.
In der folgenden Tabelle wurde so weit es möglich ist, eine Anlehnung an das Hochdeutsche verwendet. Beispiele: Schdambes wird zu Stambes, Fraimagg zur Freimack, Schbeis zu Spais. Der Wortklang ist fast der gleiche, aber nur fast. Für ungeübte Leser – und in Zukunft werden es immer mehr – ist aber diese Schreibweise viel leichter erfassbar und lesbar. Sie gibt gewisse Regeln vor. Auch für die Alphabetisierung und Suchfunktion ist sie nötig. Also bleiben wir bei dieser Anlehnung an den Duden, auch wenn es für echte Erweller ungewohnt aussieht.
Grundregeln des Südhessischen – „fer Zugezowene“
Ich wird zu isch, also ch zu sch, aus wichtig wird wischdisch.
Die „harten“ Buchstaben k, p, t, werden meist zu g, b, d.
Bei -en-Endungen wird das –n weggelassen.
Aus singen wird so singe, aus laufen wird laafe.
Endet ein Wort auf -e, Beispiel die Briefmarke, dann fällt das –e weg, also die Briefmack.
Beim Plural wird es kompliziert, denn aus der Briefmarke werden nicht etwa die Briefmarken, sondern das sind die Briefmacke.
Endet ein Wort auf –el oder –en, spricht man oft den vorderen Vokal kürzer. Nehmen wird zu nemme, Kübel zu Kiwwel.
Das b im Wort wird oft ein w. Gabel wird also Gawwel. Hobel zu Howwel.
Gern verwendet man Verkleinerungsformen. Ein Haus oder Rad bekommt den Namen Haisje oder Rädsche. Spricht man von mehreren, sind das die Haiserscher, oder Rärerscher.
Dann fehlt noch der hessische Genitiv. Es geht nicht um „Hermines Rad“, sondern es ist „de Hermine ehr Road“. Und wenn das Rad Hermines Bruder gehört, ist es „de Hermine ehrm Brurer seu Road“.
© Walter Emmer – Erfelden im Dezember 2021
Hinweis: Wer noch Begriffe vermisst, Verbesserungen vorschlagen, oder Kontakt aufnehmen möchte, kann dies gerne an: walter.emmer@gmx.de senden. Wer sich mit dem Thema intensiver beschäftigen möchte findet unter folgenden Links ausführliche Informationen, allgemein zu Sprache, zum Dialekt und zum Südhessischen.
http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/6mda/hess-nh.htm + http://www.heinrich-tischner.de/22-sp/6mda/sh/abc/a.htm
Artenschutz
Mundart zu pflegen, bedeutet Artenschutz. Jedwede Monokultur ist langweilig und ungesund. Eine eigene Sprache gibt zudem Freiheit, denn auch Sprache ist ein Instrument der Macht, die zur Unterdrückung missbraucht werden kann.
josef.peil@vodafone.de – Mastershausen
Mundart ist Kulturgut
Die Mundarten sind älter als die Standardsprache, die wir gemeinhin als „hochdeutsch“ bezeichnen. Sie haben sich regional unterschiedlich entwickelt, so dass die Herkunft von Menschen anhand ihrer Sprache verortet werden kann. Zudem gibt die Sprache Auskunft über die historisch gewachsenen Eigenarten der Menschen in ihrer Landschaft. Nicht nur die Bauten der Menschen sind bewahrenswertes Kulturgut, auch die Sprache erfährt inzwischen Würdigung als immaterielles Kulturgut.
(UN-Konvention)
Aussage
von Prof. Heike Wiese – Professorin für deutsche Sprache der Gegenwart an der Universität Potsdam.
Ein Auszug aus dem Bericht in der Zeitschrift „Eltern“, Dezember- Ausgabe 2016:
„Seitdem das so genannte Hochdeutsch Anfang des letzten Jahrhunderts von Bürokraten zum Standarddeutsch erklärt wurden, wird es benutzt um bestimmte Gesellschaftsgruppen auf- und abzuwerten. Diese Überzeugung prägt unsere Gesellschaft stärker als je zuvor, auch wenn sie völlig sinnlos und falsch ist. Deshalb ist es auch nötig, immer wieder die Wichtigkeit von Dialekten zu betonen.
Je stärker ein Kind Dialekt spricht, desto mehr profitiert es davon. Es wächst mit doppeltem Vokabular auf und mit zwei verschiedenen Grammatiken: Das fordert das Gehirn ungemein heraus! Hinzu kommt die emotionale Ebene.“
Wir wünschen auch viel Spaß mit Namen und Redensarten
(Die Dateien werden fortwährend ergänzt. Vorschläge, Anregungen sind willkommen. Bitte an: walter.emmer@gmx.de).